"Risiko - Gefahr oder Chance?"

Neue Pressemitteilung des FPSB Deutschland: “Risiko – Gefahr oder Chance?”

Risiko – Gefahr oder Chance? Von Ludwig Gatti, EFA, CFP®

Nachdem wir uns im letzten Artikel exemplarisch mit einigen Risikobegriffen beschäftigt haben, wollen wir uns nun wichtigen Missverständnissen im Zusammenhang mit Risiko widmen.

Häufig wenn sich die meisten Menschen und Investoren mit Risiko konfrontiert sehen, nehmen sie es als Bedrohung wahr. In der Konsequenz versuchen sie, diese Gefahr zu vermeiden und gehen Risiko aus dem Weg. Sie entscheiden sich z.B. am aktuellen Arbeitsplatz festzuhalten, auch wenn das Angebot eines neuen mehr Gehalt und Arbeitszufriedenheit verspricht. Aus Angst das verlockende Angebot könnte enttäuschen und sich doch als weniger attraktiv herausstellen, wählen sie die bekannten Umstände und bleiben bei an ihrem aktuellen Arbeitsplatz. Ähnliches Verhalten beobachten wir auch bei Investoren. Viele Anleger entscheiden sich nämlich aus Angst vor Schwankungen und negativen Renditen gegen ein Investment an den Kapitalmärkten, obwohl sie die Konsequenz des Kaufkraftverlusts durch Inflation beim Sparen auf dem Konto kennen.

Als Baustein zu einem souveränen Umgang mit Risiko kann auch ein neutraleres Risikoverständnis beitragen. Tatsächlich ist Risiko wohl weniger als Gefahr, sondern eher als Unsicherheit zu definieren. Deutet man Risiko aber als Bedrohung, vernachlässigt man genau die Hälfte des Konzepts, die Chance. Dies lässt sich gut anhand der statistischen Risikodefinition einer durchschnittlichen Rendite und der zugehörigen Standardabweichung erläutern. Beträgt die durchschnittliche Rendite des amerikanischen Aktienmarkts (S&P 500) 10,46%, ist die Wahrscheinlichkeit eine Rendite von -8,15% (bei einer Standardabweichung von 18,61%) zu erhalten exakt genauso hoch wie die Wahrscheinlichkeit, dass der amerikanische Aktienmarkt in einem beliebigen Jahr 29,07% rentiert. Versucht man aber um jeden Preis negative Renditen zu vermeiden, nimmt man sich die Chance von den meist positiven Ergebnissen zu profitieren.

Bedeutungsvoll ist auch, dass wir uns nicht mit einer vollkommenen Unsicherheit konfrontiert sehen. Vielmehr handelt es sich um eine begrenzte Unsicherheit, gibt es doch „Leitplanken“ innerhalb denen sich die Renditen des amerikanischen Aktienmarktes bewegen: Die bisher geringste Kalenderjahrrendite lag bei -43%, die höchste bei 54%, über einen 5-Jahreszeitraum lag die kumulierte Rendite schlechtesten Falls bei -17%, über einen 10-Jahreszeitraum bei -5%. Bei genauerer Untersuchung können wir noch weitere fundierte Erwartungen über das Risiko treffen.

Halten wir also fest: Als Anleger sollte ich Risiko nicht unbedingt als Gefahr fürchten, sondern es als weitgehend neutralen Begriff betrachten. Es handelt sich dabei schlicht um die Unsicherheit, wo innerhalb eines Spektrums von erwartbaren Ergebnissen ein Ereignis oder eine Rendite genau liegen wird.

Interessant ist auch, dass nahezu alle Anleger sich bei Ihrer Risikobetrachtung auf Vermögensentwicklung fokussieren und dabei Liquiditätsrisiken völlig vernachlässigen. Das heißt sie streben eine positive und gleichmäßige Vermögensentwicklung an, ohne zu berücksichtigen, ob ihre Vermögensstruktur liquide genug ist, um vorab bekannte sowie möglicherweise drohende Zahlungsverpflichtungen oder Bedürfnisse zu decken. Dabei sind verschiedene Investments deutlich unterschiedlich liquidierbar. Wären Fonds mit an Kapitalmärkten gehandelten Wertpapieren täglich verkauft werden und damit innerhalb von wenigen Tagen in Bargeld getauscht werden können, kann es bei privat gehaltenen Immobilien durchaus mal ein halbes Jahr dauern, bis der Kaufpreis tatsächlich beim Verkäufer eingegangen ist.

Natürlich ist auch in dieser Hinsicht die Wertstabilität eines Investments relevant, weil sie bestimmt, wie viel Geld beim Verkauf erlöst werden kann. Zuletzt spielt auch die steuerliche Veranlagung eine wichtige Rolle und hat einen großen Einfluss auf den Nettoerlös eines Investitionsobjekts. Ein gutes Beispiel sind Immobilien, bei deren Verkauf erhebliche Abgaben fällig werden können, wenn Sie zu früh oder zu zahlreich veräußert werden.

Eine Finanzplanung stellt die ideale Lösung zum Management des Liquiditätsrisikos dar: Finanzplaner ermitteln mögliche sowie wahrscheinliche zukünftige Zahlungsverpflichtungen und erarbeiten gemeinsam mit ihren Kunden die finanziellen Aspekte ihrer Bedürfnisse und Wünsche. Darauf basierend entwickeln Finanzplaner eine Vermögensstruktur, welche nicht nur die zu erwartenden Renditeergebnisse berücksichtigt, sondern auch für ausreichend Liquidität sorgt. So wird erreicht, dass der Anleger nicht nur eine attraktive Rendite erzielt, sondern sich auch sicher fühlen kann.

Quelle: Financial Planning Standards Board Deutschland e.V. – Newsletter vom 05.12.2022
www.fpsb.de

Bild: Böker & Paul